Mitgliederversammlung: Weiteres Jahrbuch für Herbst geplant

Eine Mitgliederversammlung des Einbecker Geschichtsvereins bei sommerlichen Temperaturen – gab es das schon einmal? Im Hotel »Panorama« fanden sich nun 60 der aktuell 411 Mitglieder dazu ein.

Etwa 60 Mitglieder lauschten den Berichten des Vorstands, hier dem Schatzmeister Christian Scharnefsky.  Foto: Ehrenheim-Schmidt

Die sinkende Mitgliederzahl bei hohem Altersdurchschnitt sei ein Phänomen, das man mit vielen Vereinen teile, erklärte die Vorsitzende Dr. Elke Heege in ihrem Bericht, der nur die sieben Monate seit der letzten Versammlung umfasste. Deshalb will man nun Neues probieren und mehr Kinder und Jugendliche ansprechen, etwa durch Angebote für Klassen ab Stufe 5. Eine Arbeitsgruppe mit Dr. Susanne Mosler und Museumsleiter Marco Heckhoff hat sich dazu gebildet. Aktionen fanden bereits mit der IGS statt: Eine Infotafel zu den Ehrengräberfeldern auf dem Zentralfriedhof entwickelten Schüler. Das Ganze wurde vom Geschichtsverein mitfinanziert und vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge produziert. Mit dem jüdischen Gräberfeld am Friedhofsrand befasst sich nun eine weitere von IGS-Schülern erarbeitete Tafel, die am 9. November präsentiert werden soll.

Auch in den Sozialen Medien will der Verein präsenter sein. Darum kümmern sich Frederic Otto, Alexander Kloss und Udo Strohmeier.

2021 erschien kein Jahrbuch. In diesem Jahr sollen es zwei werden, denn bereits für Band 54, der im März erschien, lagen mehr Beiträge vor als die buchbinderische Qualität zuließ.  Band 55 soll nach dem Sommer folgen.

Für die Zukunft will man versuchen, Vorträge in Hybrid-Form anzubieten, also in Präsenz und gleichzeitig online. Zwar keine Vorträge, aber Fahrten wurden durchgeführt: Marion Bartels organisierte Touren zur großen »Seuchen«-Ausstellung in Hildesheim und jetzt eine Tagesfahrt nach Halberstadt, die sich auch mit jüdischer Geschichte befasst. Dr. Heege dankte ihr mit Lavendel. Dank und Lob ging auch an Susanne Gerdes, die im Herbst mit Willi Hoppe und vielen Freiwilligen Frühblüher auf dem Crucis-Kirchhof pflanzte. Eine »wunderbare Narzissenblüte« sei entstanden, freute sich Dr. Heege. Weiter dankte sie Frank Bertram für die Betreuung der Vereins-Homepage und allen weiteren Engagierten. Besonderen Dank richtete sie an Hellmut Hainski und Walter-Wilhelm Funcke, die stets für Anfragen mit ihrem umfangreichen Wissen zur Verfügung stünden und bereit seien, ihre eigene Arbeit so zu sichern, dass sie für die Nachwelt erhalten bleibe. Das sei gewiss nicht einfach – Beifall der Anwesenden.

Die Jubiläumsbücher, besonders das von Susanne Gerdes und Willi Hoppe, stießen auf großes Interesse, so dass hier die Einnahmen höher als erwartet seien, freute sich Kassenwart Christian Scharnefsky in seinem Bericht zu 2021. Zu finanzierende Projekte in diesem Jahr sind nun die zwei Jahrbücher, die Gedenktafel, zu digitalisierende Vorträge, ein Buch zu Provenienzforschung von Christian Riemenschneider sowie Vorhaben des StadtMuseums, des Stadtarchivs und der Stadtarchäologie. Seinem Kassenbericht folgte Edmund Gräfenhahn, der mit Stefan Hainski die Kasse gepüft hatte und ihm eine einwandfreie Kassenführung bescheinigte. Für Kassenwart und Vorstand beantragte er Entlastung, die erteilt wurde. Für den ausscheidenden Gräfenhahn wurde Bernd Koch als Kassenprüfer gewählt.

Unter »Verschiedenes« trug Albert Behrens vom Plattdeutsch Forum – wie immer sehr gekonnt – auf Platt etwas von den Erinnerungen und Assioziationen an die »Schört’n mainer Grootmudder« vor, die zu jeder Jahreszeit eine »Wunnertüte was« mit »ierste Äppel un Haselnüsse un Bolchen« und auch von den »Zippeln«, die zum »Festhaulen« und zum Abwischen der Tränen, gut waren. Ihm folgte Walter-Wilhelm Funcke, der tatkräftige Unterstützung für sein umfangreiches Archiv sucht,  zum Beispiel bei der Bearbeitung zahlreicher Fotos. Danach äußerte er noch Kritik an den Fahrstuhlplänen für das Alte Rathaus.

Bereits nach einer Stunde servierte das Hotel »Panorama« schmackhaft Gegrilltes und Salate. Danach folgte eine Powerpoint-Präsentation Walter-Wilhelm Funckes zu Einbecker Gaststätten in der Kernstadt.     Delia Ehrenheim-Schmidt

Funckes Vortrag zu alten Kernstadt-Gaststätten

Mit Walter-Wilhelm Funckes Vortrag ging es nach der Mitgliederversammlung des Einbecker Geschichtsvereins noch durch »Alte Gaststätten in der Kernstadt«. Mit sehr, sehr vielen Zeitungsanzeigen, Jugendstil-Ansichtskarten, Häuserfotos einst und jetzt, Personenaufnahmen sowie Adressbucheinträgen konnte er die wechselvolle Geschichte vieler Häuser nachzeichnen, ebenso die Namen der jeweiligen Gastwirte und Inhaber.  

Walter-Wilhelm Funcke. Foto: Ehrenheim-Schmidt

1874 übernahm das  »Hotel zur Traube«, Altendorfer Straße,  Eduard Dreykluft, vor dessen Haus auch Busse zu den Personenzügen abfuhren. Damit warb im Stadtführer 1904 auch August Paulmann, ebenso mit »Weinen erster Häuser«. Ihm folgen Christian und Willi Rolf. Der NSDAP-Kreistag im Juli 1937 tagte in der »Traube«. Auch ins Gästebuch der »Traube« ließ Funcke die Zuhörer blicken: Neben Schauspieler Rudolf Platte und einem Gauamtsleiter war vom 19. August 1938 ein »Lovely«-Eintrag von Eduard, Duke of Windsor, zu lesen. 1963/64 wurde das Haus zum Wohnheim für Gastarbeiter.  

So hatte er spannend viele Schicksale von Gasthäusern wieder sichtbar gemacht, wie etwa das der »Gastwirthschaft mit Ausspann« von Loius Langhagen, Altendorfer Straße 16, der auch seine Schlachterei empfahl »welche stets mit frischer Waare versehen ist.« Später ist es das »Restaurant zum Deutschen Hause«. Am Altendorfer Tor 44 gab es dann noch den »Kaisergarten«, 1884 von einem Wellbrock in den Räumen »der früheren Schütte’schen Fabrik« eröffnet. 

In der Hullerser Straße annoncierte im März 1866 Frierich Eicke als Eigentümer des »König von Preußen«, ein sehr mutiger Name damals, so Funcke. Der »Preussen-Eicke« wurde später umbenannt in »Gasthof zum deutschen Kaiser«: »im Mittelpunkte der Stadt dem Amtsgericht gegenüber«. In der Hausnummer 10 entdeckte er das »Gast- und Logierhaus ‘Zum goldenen Ross’« mit Ausspannmöglichkeit für die große Zahl von 30 Pferden. Auch hier hatte Funcke die Namen der Wirte recherchieren können. 

Kurioses konnte er berichten wie die Zurschaustellung des »schönsten Kolossalmädchens« 1908 in der »Deutschen Eiche«, Hullerser Straße 12, das 300 Pfund wog. In der Benser Straße rief er die Conditorei Struve ins Gedächtnis, später Kaffee Wenge. Gastwirt und Schlachter Hermann Eicke war in Nummer 23 zu finden, Kollege Heinrich Hinnenberg in Nummer 18. Den Gasthof »Zur Stadt Einbeck«, den fast bis zu ihrem Tod Inge Schneider, geborene Ahlswede, betrieb, beleuchete Funcke sehr ausführlich. 

Drei Brauereien gab es um 1900, neben jener der Stadt und der von Domeier & Boden auch eine Braun- und Weiß-Bier-Brauerei nebst Selterwasser-Fabrik von H.F.A. WArneke im Hohen Weg 1. 1907 machte hier Eduard Riemenschneider Werbung für Brauerei und »Weissbierstube«. 

Eine »Herberge zur Heimat« mit Hausvater Fritz Brüggemann wies Funcke in der Baustraße nach. Mit wohlgesetzten Worten zeigte 1868 ein Christian Ossenkopp dem »geehrten Publikum« seine »Schenkwirthschaft« an der Ecke der Backofen- und Kurzen Straße an. Das war zum Abschluss der Geschichtsvereins-Versammlung ein faktenreich recherchierter, lebendiger Vortrag, der bei einigen im Publikum auch Erinnerungen hervorrief. 

Delia Ehrenheim-Schmidt